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Freitagskommentar

Was sagt uns die neue Nationale Suizidpräventionsstrategie der Bundesregierung?

Lange hat es gedauert, doch nun ist sie da. Karl Lauterbach hat kürzlich die neue Strategie der Nationalen Suizidprävention vorgestellt, die Grundlage für ein Suizidpräventionsgesetz sein wird.

Es ist ein längst überfälliger, aber bedeutender Schritt zur staatlichen Förderung und Verbesserung der Suizidprävention in Deutschland. Warum so bedeutsam?

1. Weil die wieder gestiegene Suizidrate und die andauernd hohe Suizidrate von Männern endlich von der Bundespolitik wahrgenommen und ein großer Handlungsbedarf erkannt wird.

2. Weil es im Zusammenhang mit den Debatten über den assistierten Suizid bzw. der Tötung auf Verlangen wichtig ist, ein Gegengewicht zu setzen. Zwar wird das Thema Tod und Suizid dadurch in gewisser Weise enttabuisiert, aber dies könnte auch die unerwünschte Nebenwirkung haben, dass Suizidalität verstärkt wird. Suizidprävention ist genau das Gegenteil.

Was sind die wichtigsten Ziele der Nationalen Suizidpräventionsstrategie?

  • Die Fokussierung auf Hochrisikogruppen
  • Eine bundesweite Koordinierungsstelle für Beratungs- und Kooperationsangebote,
  • Spezielle Schulungen für Fachkräfte in Gesundheitswesen und Pflege
  • Eine zentrale deutschlandweite Krisendienst-Notrufnummer


Was sind die Hochrisikogruppen?

Im Strategiepapier heißt es: „Dreiviertel aller Suizide werden von Männern begangen. Die Suizidrate steigt mit dem Alter an und erreicht insbesondere bei betagten und hochbetagten Männern ein dramatisches Ausmaß.“
(www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/bundesgesundheitsminister-stellt-nationale-suizidpraeventionsstrategie-vor-pm-02-05-2024)

Was soll gemacht werden?

„Awareness-, Aufklärung- und Entstigmatisierungskampagnen müssen insbesondere Männer und alte Menschen adressieren. Alte Menschen sind unter anderem zu erreichen über Arztpraxen – insbesondere Hausarztpraxen – und Krankenhäuser einschließlich geriatrischer Einrichtungen, Pflegeheimen oder Seniorentreffs, palliativmedizinische Angebote und Hospize, sowie über das klassische Fernsehen und klassische Zeitungen und Zeitschriften. Um (alte) Männer zu erreichen, sollten Kampagnen in urologischen Praxen in Betracht gezogen werden, daneben in vorwiegend von Männern genutzten Freizeit- und Sportangeboten.“
(www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/bundesgesundheitsminister-stellt-nationale-suizidpraeventionsstrategie-vor-pm-02-05-2024)

Wie es in dem Papier heißt, sollen die Maßnahmen möglichst evidenzbasiert sein (wissenschaftlich belegt), z.B. eine Einschränkung des Zugangs zu bestimmten Medikamenten, Brücken, Hochhäusern oder Gleisanlagen.

Was wird schon gemacht?

In dem Strategiepapier wird ein großer Maßnahmenkatalog vorgestellt: zahlreiche, aber wenig vernetzte Projekte, Initiativen, Hilfsangebote und Beratungsstellen werden aufgeführt, die von den jeweiligen Bundesministerien, Hilfsorganisationen, Verbänden, Vereinen und der Kirche bereits verfügbar sind. Auch Aufklärungs- und Entstigmatisierungsaktionen sind darunter. Neu in diesem Papier scheinen lediglich das bundesweite Krisentelefon und die bundesweite Koordinierungsstelle zu sein.

Was muss noch gemacht werden?

Die Probleme dabei sind

1., dass Hilfsangebote speziell für Männer mit ganz wenigen Ausnahmen nicht vorkommen, und

2., dass nicht berücksichtigt wird, dass die bestehenden Angebote Männer eher nicht erreichen.

Soll die Suizidrate von (älteren, alten) Männern gesenkt werden, müssen männerfokussierte Maßnahmen kreativ entwickelt werden und bestehende Angebote gezielter auf die Bedürfnisse von Männern ausgerichtet werden. Wichtig ist u.a. der Ausbau von niederschwelligen Angeboten (auch online), die in der unmittelbaren Lebensumwelt von Männern erkennbar und erreichbar sind.

Was wird sonst noch von Experten kritisiert?

Vor allem wird kritisiert, dass völlig unklar bleibt, wie das Ganze finanziert werden soll. Einerseits müssen die bereits vorhandenen und funktionierenden Suizidpräventionsangebote finanziell besser abgesichert werden, andererseits müssen zielgenauere Maßnahmen entwickelt und evaluiert werden. Außerdem sollte die psychiatrische Versorgung (auch nach einem Suizidversuch) verbessert werden, da den meisten Suiziden eine Depression zugrunde liegt. Gleichzeitig müsste die Suizidforschung gefördert werden. Auch sollte nicht nur die Entwicklung und Implementierung neuer Suizidpräventions-Apps gefördert werden, sondern im Erfolgsfall auch die weitere Finanzierung sichergestellt werden. In dem Papier finden sich keine konkreten Angaben, woher das Geld dafür kommen soll.
Befürchtet wird außerdem, dass bei der neuen Fokussierung auf ältere und alte Männer als am meisten suizidgefährdet die jeweils anderen betroffenen Gruppen gegeneinander ausgespielt werden könnten.

Bei allen Kritikpunkten begrüßt die Stiftung Männergesundheit aber ausdrücklich, dass nach jahrzehntelanger Geschlechterblindheit – und angesichts einer überwältigenden Faktenlage – Männer nun endlich über dieses Spezialthema in den Blick der Bundesgesundheitspolitik genommen werden.

Stiftung Männergesundheit
Prof. Dr. Anne Maria Möller-Leimkühler

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