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Freitagskommentar

Neue Halbwahrheiten zur Gewalt gegen Frauen tragen zur Männerdiskriminierung bei

Erste Halbwahrheit: „Jeder dritte junge Mann akzeptiert Gewalt gegen Frauen“

Nach aktuellen Umfrageergebnisse der Hilfsorganisation Plan International, akzeptiert jeder dritte junge Mann (18-35 Jahre) Gewalt in der Partnerschaft (https://www.plan.de/presse/umfragen-und-berichte/spannungsfeld-maennlichkeit.html). Diese Online-Umfrage ist allerdings laut kritischer Stellungnahmen von Experten der empirischen Sozialforschung weder repräsentativ noch wissenschaftlich, wird aber als solche ausgegeben. Demnach sind die Daten wenig belastbar.

Kommentar: Noch erstaunlicher als die mangelnde Qualität dieser Erhebung ist allerdings, wie sensationsgierig die großen Medien (ZDF, ARD, MDR, Spiegel online etc.) dieses Ergebnis sofort aufgegriffen und als schockierende Tatsache hingestellt haben. Damit sind aber (ungewollt?) verbreitete Stereotype verstärkt worden: Es stimmt also doch, die jungen Männer sind auch heute noch eine gefährliche Spezies, besonders für Frauen!!

Richtig ist, dass Männer aus bildungsferneren sozialen Milieus eine signifikant höhere Gewaltakzeptanz aufweisen. Gewalt hat gerade bei jungen Männern mit geringem Selbstwert und wenig sozialer Anerkennung die Funktion, ihre unsichere männliche Identität zu schützen, und zwar vornehmlich im Kontext von Gruppengewalt. Das trifft aber nicht repräsentativ auf alle jungen Männer zu. Und:  Nach Angaben des BKI kommt Partnerschaftsgewalt seltener bei Männern unter 30 Jahren vor, dafür häufiger bei Männern höherer Altersklassen (30 bis 39 und 40-49 Jahre).

 

Zweite Halbwahrheit: „Der Mann ist toxisch und deshalb gewalttätig“

Eine Dunkelfeldstudie über häusliche Gewalt an Frauen aus Niedersachsen kommt zu dem Schluss: „Je besser der Bildungsgrad, je höher das Einkommen, umso aggressiver sind die Männer gegenüber ihren Frauen. Es ist ein Problem der toxischen Männlichkeit“ (https://www.ndr.de/nachrichten/info/Sozialministerin-Behrens-Gewalt-ist-kein-Problem-einer-Schicht,audio1261238.html).

Kommentar: Aha, der Mann als solcher ist also das Problem! Ein Mann ist offenbar umso toxischer, je höher sein sozialer Status ist.

Richtig ist, dass partnerschaftliche Gewalt tatsächlich in allen sozialen Schichten vorkommt. Aber sie kommt signifikant häufiger in der Arbeitersiedlung vor als im Villenviertel.

Der Blickwinkel „Gewalt gegen Frauen“ ist wichtig, aber hier werden alle potenziellen Einflussfaktoren jenseits von Bildung und Einkommen ausgeblendet, die differenziertere Aussagen zulassen würden. Generell ist der Fokus auf „Gewalt gegen Frauen“ zu einseitig. „Gewalt von Frauen gegen Männer“ ist dagegen immer noch ein tabuisiertes Thema und damit ziemlich unpopulär. Laut wissenschaftlicher Studien üben auch Frauen in etwa gleich hohem Maße Gewalt in der Partnerschaft aus (z.B. Döge 2011). Männer sind also nicht immer nur Täter, sondern auch Opfer, und zwar nicht nur von männlicher, sondern auch von weiblicher Gewalt.

Stiftung Männergesundheit
Prof. Dr. Anne Maria Möller-Leimkühler

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